Rechtliches Minenfeld
Wollte man sich bei dieser Frage mit einem Lächeln abwenden, ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, blendete man juristische Sachverhalte schlankerhand aus. Zunächst einmal liegen alle Fotografien mit Personen in einem rechtlichen Minenfeld. Einfach abdrücken – hier im doppelten Sinn der Abdruck des Gesichts im gereichten Tuch und im weiteren Sinne das Betätigen des Auslösers – und veröffentlichen, beinhaltet Konfliktpotenzial und kann vor allem teuer werden. Grundsätzlich kann jeder Einzelne selbst bestimmen, ob und welche Abbildungen von ihm in der Öffentlichkeit gezeigt werden. Nur ausnahmsweise ist daher eine zustimmungsfreie Nutzung von Personenfotos zulässig. Im Zweifel also eine Einwilligung von der abgebildeten Person einholen oder, wenn dies nicht möglich ist, ein anderes Bild verwenden.
Dies regelt das KUG (Kunsturhebergesetz).
Zudem gibt es einen postmortalen Persönlichkeitsschutz. Grundrechtlich ergibt sich ein postmortaler Persönlichkeitsschutz ausschließlich aus der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (weshalb die Bezeichnung postmortales Persönlichkeitsrecht diesbezüglich irreführend ist): Der Wert- und Achtungsanspruch besteht zunächst fort, verblasst jedoch mit der Zeit. In der Regel besteht dieser Schutz 10 Jahre. Er kann aber im Einzelfall auf Jahrzehnte ausgedehnt werden. Gegen die Verletzung des ideellen Anteils am postmortalen Persönlichkeitsrecht können nur die nahestehenden Angehörigen vorgehen oder aber die Personen, die der Betroffene zu Lebzeiten dazu berufen hat (dies kann unter Umständen auch eine Institution sein). Es gibt keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung, weil deren Genugtuungsfunktion nach dem Tode des Betroffenen ins Leere ginge. Bei einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts stehen den Erben jedoch sowohl Abwehr- als auch Schadensersatzansprüche zu.
Tattoo und Template
Die Rechtslage bezieht sich nicht nur auf Fotografien, sondern vielmehr auf Bildnisse, die nicht unter das Kunstfreiheitsgesetz fallen. Wenn ein Bildnis unzweifelhaft einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, dann kann die Rückenansicht einer Person in Verbindung mit einem spezifischen Tattoo, vielleicht im Nackenbereich, bereits unter das Persönlichkeitsrecht fallen.
Das Template des Gitternetzes, das für die Biometrie notwendig ist, unterliegt ebenso dem Datenschutz wie der Fingerabdruck.
Die nun geltende EU-DSGVO verschärft nochmals das KUG von 1907, um einen größeren Schutz natürlicher Personen zu gewährleisten. Eine Verschärfung tritt insofern ein, als nicht nur das Verbreiten von Fotografien reglementiert wird, sondern bereits das Erstellen von Fotografien.
Die EU-DSGVO ist eigentlich ziemlich einfach: Es ist alles verboten, was nicht erlaubt ist. „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ heißt das in der Juristensprache. Die DSGVO intendiert, natürliche Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu schützen.
„Personenbezogene Daten“ sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.
Als „Verarbeitung“ wird definiert: jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.
Dass mit einem Foto eine Person identifiziert werden kann, ist unstrittig. Der Vorgang Fotografieren ist eine Erhebung von Daten und deren Verarbeitung. Es braucht also eine EU-DSGVO-konforme Einwilligung des Abgebildeten. Es war natürlich immer schon unstreitig, dass der persönlichkeitsrechtliche Schutz einer Person vor Bildaufnahmen – ungeachtet einer expliziten Regelung des Gesetzgebers – nicht erst auf der Ebene der Verwendung eines Bildnisses einsetzt, sondern dass es Fälle gibt, in denen bereits die Anfertigung eines Bildnisses unzulässig ist. Begründbar wird das mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Begründung des BGH 1966
Bereits im Jahr 1966 hat der BGH angesichts eines Streitfalls dies begründet und wie folgt ausgeführt:
„Hat die Bildberichterstattung infolge der Entwicklung des Fernsehens, der Kinematografie und der Bildzeitungen heute eine sehr große Bedeutung erlangt, so darf deshalb der Rechtsschutz der Einzelperson gegenüber einer von ihr nicht gestatteten Fixierung und Vorführung eines Bildnisses nicht abgebaut werden. Sind durch die Fortschritte der Technik die Möglichkeiten erleichtert worden, heimliche Bildnisaufnahmen herzustellen, sie zu vervielfältigen und einer breiten Öffentlichkeit vorzuführen, so muss besonderer Anlass bestehen, auf eine Wahrung der vom Recht gesetzten Schranken zu achten und einem Missbrauch des leichter verletzbar gewordenen Persönlichkeitsrechts vorzubeugen. Das Recht darf sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen.“ Man muss im Jahr 2018 wirklich davon ausgehen, dass diese Begründung des BGH von 1966 umso deutlicher greift, hat doch die Digitalisierung, die Nutzung des Internets und die ständige Verfügbarkeit von Bildaufnahmegeräten, insbesondere in Form von Smartphones, deutlich zugenommen. Damit einhergehend ist auch die Bedeutung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte entsprechend gewachsen.
Die Herstellung fotografischer Aufnahmen, auf denen eine Person ohne deren Einverständnis erkennbar ist, bedeutet ohne Frage einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der dargestellten Person.
Bislang wurde in der Rechtsprechung immer auch das Erfordernis der Informationsbeschaffung beachtet. Dies geschah insbesondere dadurch, dass man beim Kunsturhebergesetz die Einschränkung zur Veröffentlichung mit der Fotoerstellung kurzschloss und die Anfertigung von Fotos in der Regel dann als erlaubt anzusehen war, wenn die Verbreitung, insbesondere gemäß § 23 KunstUrhG, rechtmäßig war. Es wurde aber immer schon betont, dass dies nur eine grundsätzliche Feststellung sei und dass diese eine Prüfung im Einzelfall nicht entbehrlich mache.
Es bleibt Teil professioneller Recherche, Fotografien anzukündigen und zumindest im Vorfeld abzusprechen. Im Normalfall und insbesondere bei sensiblen Kontexten muss auch eine Absprache erfolgen.
Die minotaurische Gier
Der minotaurischen Gier nach immer neueren Informationen, die sich bereits bei der Veröffentlichung verbraucht haben, sollte mit dem Faden der Ariadne der Garaus gemacht werden. Der Faden ist die Reißleine. Eine gute Geschichte behält wie das geborgene Samenkorn aus der ägyptischen Pyramide seine Keimkraft und wirkt. Die Information verbraucht sich bereits bei ihrer Erstellung. Man benötigt eine hervorragende Fotografie und nicht 30 in der Sekunde. Die verwendete Fotografie kann in jeder Form ab- und besprochen werden.
Olaf Gruschka
Zugabe
Tages Anzeiger
Erstellt: 29.06.2018, 18:39 Uhr
Hört Facebook die Gespräche seiner Nutzer über das Mikrofon des Smartphones ab, um ihnen personalisierte Werbung anzuzeigen? Dieses Gerücht hält sich seit Jahren hartnäckig, stichhaltige Beweise für die Theorie fehlen allerdings. Mehrmals hat das Unternehmen solche Vorwürfe dementiert.
Ein Patentantrag von Facebook ist aufgetaucht, das die Gerüchte erneut anheizt: Im US-Patentantrag mit der Nummer 2018/0167677 beschreibt das Unternehmen, wie es mithilfe eines Audiosignals das Mikrofon des Smartphones oder eines anderen Geräts aktivieren kann, um die Umgebungsgeräusche aufzunehmen. Anschliessend sollen verschiedene Daten über die aufgezeichneten Geräusche an Facebook gesendet und analysiert werden. Die Aufnahme wird durch ein Signal ausgelöst, das für den Menschen nicht hörbar ist. Es könnte zum Beispiel in TV-Spots eingebettet werden.